Am 27.01.2017 unternahm der Geschichtskurs 2 unter Leitung von Frau Steuer eine Exkursion zum in Erfurt ansässigen Erinnerungsort „Topf und Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz“. Natürlich sollte es auch um Auschwitz an diesem Freitagabend gehen. Oder besser gesagt, um eine Überlebende des polnischen Konzentrationslagers, Eva Schloss.
Frau Steuer organisierte unsere Teilnahme an der Veranstaltung, zu der eine Lesung von Passagen aus dem von Eva Schloss verfassten Buch „Amsterdam 11. Mai 1944. Das Ende meiner Kindheit.“ und eine anschließende Fragerunde mit der Überlebenden geplant waren. Um es gleich zu sagen: hätte es keine zeitliche Begrenzung der Fragerunde gegeben, so hätten wir mehr als die vorgegebenen zwei Stunden bei Topf und Söhne verbracht.
Der Andrang, an Lesung und Fragerunde teilzunehmen, war riesig und der relativ kleine Raum in der Erinnerungsstätte reichte nicht aus, um allen Besuchern Platz zu bieten, sodass schon bald nach 17:30 Uhr keine Gäste mehr eingelassen werden konnten. Glücklicherweise war unser Geschichtskurs schon ca. 40 Minuten vor 18 Uhr und somit dem offiziellen Beginn der Veranstaltung fast vollzählig, sodass schon Plätze für die restlichen Mitschüler freigehalten werden konnten. Nachdem schließlich der Raum gefüllt war und auch schon einige Interessierte auf dem Boden saßen, begann pünktlich um 18 Uhr die Veranstaltung. Zuerst betrat die 87jährige Eva Schloss den Raum. Die Gespräche, welche bis hierhin noch munter geführt wurden, wurden leiser und zurückhaltender und es war eine gewisse Spannung im Raum spürbar, welche bis zur offiziellen Begrüßung durch Frau Dr. Annegret Schüle, die Kuratorin der Gedenkstätte, bemerkbar war. Ebenfalls begrüßt wurden das Auditorium und vor allem Frau Schloss auch durch Daniel Braun, einen Vertreter des politischen Bildungsforums Thüringen der Konrad – Adenauer – Stiftung. Beide, sowohl Frau Dr. Schüle als auch Hr. Braun, dankten Frau Schloss für ihre Bereitschaft, an dem Projekt für den Holocaustgedenktag hier in Erfurt teilzunehmen und uns alle an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Einige letzte Grußworte richtete nun vor Beginn der Lesung Marion Walsmann, Erfurter Landtagsabgeordnete der CDU, an das Publikum. Auch sie dankte Frau Schloss sehr herzlich für ihr Erscheinen und betonte wiederholt, wie wichtig solche Tage und auch das Gedenken der vergangenen Zeiten und der dort gemachten Fehler seien. Ebenso wie die Tatsache, dass sich solche Verbrechen an die Menschheit niemals wiederholen dürften, erklärt sie ebenfalls und betonte dies besonders energisch: „Es geht uns alle was an, dass wir was tun müssen!“. Dies bezog sie unter anderem auf den Aufstieg verschiedener rechtspopulistischer Gruppen und deren Ideale. Noch zuvor fasste Frau Walsmann auch sehr gut zusammen, weswegen die Anwesenden in so zahlreicher Form und den unterschiedlichen Altersstufen erschienen waren: „Ich denke, wir sind alle neugierig auf ihre Worte.“
Nach den Begrüßungen und Grußworten begann schließlich die Veranstaltung mit einer ca. halbstündigen Lesung von Ausschnitten aus dem Buch. Diese wurde von zwei jungen Frauen durchgeführt, welche ihr freiwilliges kulturelles Jahr im Erinnerungsort Topf und Söhne absolvieren. Während der Lesung bemerkt man immer mal wieder zustimmendes Nicken vonseiten der Autorin, ebenso wie leise zustimmende Worte. In den Ausschnitten werden verschiedene Abschnitte von Eva Schloss´ Leben kurz beleuchtet, von ihrem Leben vor der Deportation nach Auschwitz, aber auch danach, als sie gemeinsam mit Mutter, Vater und Bruder in ihrem 15. Lebensjahr abtransportiert wird. Sie berichtet über Leben und Alltag im Lager und auch über die Zeit nach der Befreiung durch die Russen, die sie als die großen Helden der Geschichte sieht. Die Lesung endet mit der Beschreibung eines sehr emotionalen Moments, als sie und ihre Mutter nach dem Ende des Krieges alte Bilder ihres verstorbenen Bruders finden. Nach der Lesung, welche das Publikum mit Applaus honoriert, bedankt sich auch Frau Schloss bei den beiden für den sehr emotionalen und authentischen Vortrag.
Nun wird die Fragerunde eingeleitet, moderiert ebenfalls von einer jungen Frau, die durch den restlichen Abend führt und Frau Schloss bei Verständnisproblemen aushilft (Die 87 Jährige lebt schon längere Zeit in London). Die ersten Einführungsfragen werden noch vorbereitet von der Moderatorin gestellt, wie etwa, was die Deportation für sie, als 15 Jährige bedeutete, was Eva Schloss vor ihrer Deportation über Auschwitz und die Dinge, die dort vorgingen, wusste. Die Zeugin berichtet ausführlich über den Transport nach Auschwitz und die ständigen Angst, die sie und ihre Familie verfolgte. Sie beschreibt ebenfalls, wie in der Zeit vor ihrer Deportation immer ausländische Sender liefen und von Auschwitz und den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern berichtete. Sie sagt: „[Als wir abgeholt wurden], haben wir wirklich gedacht: Das Ende ist nah.“ Die nächsten Fragen, welche zur Sprache kommen, gehen nun auf verschiedene Details des Lebens der Londonerin ein, wie etwa, welche Arbeit sie und ihre Mutter in Auschwitz verrichten mussten oder auch, was die schlimmsten und „besten“ Erfahrungen während ihrer Zeit in Auschwitz waren. Außerdem steht die Frage im Raum, wie Eva Schloss, alleingelassen (zu diesem Zeitpunkt in dem Glauben, ihre Mutter sei tot) und mit nur 15 Jahren die Zeit im Lager erfuhr, wahrnahm und ja, auch wie sie überlebte. Hierzu schildert die Überlebende, wie sie immer wieder neue Hoffnung aus jedem neuen Tag schöpfte. Sie erklärt nochmals den (Arbeits-) Alltag in Auschwitz genauer und erzählt von den „guten“ und „schlechten“ Tagen dort. Wann sie als „Kind“ begriffen habe, dass die Nazis den Juden das Leben absprechen wollen, war eine der nächsten Fragen. Ebenfalls wurde ein sehr aktuelles und auch recht kritisches Thema angesprochen und zwar, was Frau Schloss von dem Tourismus halte, welcher mit Auschwitz und auch den anderen ehemaligen Konzentrationslagern betrieben wird – wenn auch teils unbeabsichtigt. Die 87 Jährige bringt einerseits ihr Entsetzen diesem Tourismus gegenüber zur Sprache, doch sagt sie auch, entweder schließe man Auschwitz oder man müsse es für den Tourismus offenlassen. Doch: „Jetzt hat es keine Würdigkeit mehr.“, trägt sie kritisch vor. Einige der folgenden Fragen bezogen sich auf aktuell politische Geschehnisse, beispielsweise ob sie nochmals antisemitische Vorkommnisse erlebte, was Frau Schloss den Menschen sagen würde, welche sich aktuell wehren, anderen Menschen Asyl zu geben oder auch, wie sie generell die aktuelle politische Lage in Europa beurteilt. Daraufhin erklärt Eva Schloss, wie wichtig es sei, die Menschen, die nach Europa kommen, zu unterstützen. „Ich bin unbedingt dafür, diesen Leuten zu helfen.“, wie sie selbst sagt: „Auswandern ist etwas sehr Schwieriges“ und auch „Es ist schwer, andere Leute aufzunehmen, [doch] das ist, was man machen muss!“. Nach diesem sehr eindeutigen Statement applaudierte der gesamte Raum. Die restlichen Fragen beschäftigten sich nun wiederum mit den verschiedensten Aspekten des Lebens der 87 Jährigen. Etwa, wie der Zusammenhalt zwischen den Häftlingen im Lager war, welche Rolle Familie Frank in ihrem Leben spielte, ob sie die heutige Jugend für zu wenig aufgeklärt halte oder ob sie jemals erfuhr, was aus der Familie wurde, welche sie und ihre Familie aufnahm und versteckte. Aber auch wie sie nach allen diesen schrecklichen Zeiten ihren Optimismus wiederfand und ob sie eine Kollektivschuld des deutschen Volkes sieht. Frau Schloss erzählt kurze Anekdoten und gibt einige Erkenntnisse und Hinweise für unser aller Leben mit: Sie hält die heutige Jugend für verwöhnt und meint: „Das Leben ist nicht leicht.“. Doch gleichzeitig sieht die Überlebende auch Hoffnung in der nächsten Generation und sagt: „Die Jugend wird es besser machen.“
Abschließend lässt sich sagen, dass dieser Abend bei Topf und Söhne sehr interessant und aufschlussreich war. Er hat uns die Konzentrationslager und die NS – Zeit allgemein nähergebracht, denn eine Überlebende live zu hören, welche von ihren Erfahrungen berichtet, ist doch etwas ganz anderes, als in den Geschichtsbüchern, im Unterricht oder in Dokumentarfilmen davon zu lesen oder zu hören. Diese Veranstaltung gab uns einen ganz neuen Blickwinkel auf die Zeit des Nationalsozialismus und hat uns noch einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig es ist, zu verhindern, dass sich solche Verbrechen an der Menschheit jemals wiederholen.